Ich bin zwiegespalten. Was soll ich von The Order: 1886 halten? Ich hatte viel Spaß mit dem Titel, aber es gibt auch einige Sachen, mit denen ich nicht so zufrieden bin. Natürlich habe ich auch die Kritik mitbekommen, die im Internet die Runde gemacht hat. Zu jener Kritik habe ich immerhin eine klare Meinung, allerdings muss ich alle diese Einflüsse auf einen gemeinsamen Nenner bringen und das alles so formulieren, dass am Ende dieses Reviews das rauskommt, was ich ausdrücken möchte. Harte Aufgabe, also fange ich einfach mal an.
Energiestrahlenkanone!?!
The Order spielt im viktorianischen London. Aber nicht so, wie unsere Vorfahren es kannten. Es handelt sich um eine alternative Zeitrechnung, in welcher die Ritter der Tafelrunde eine wichtige Rolle als Wachtrupp gegen Lykaner, Rebellen und weitere Bedrohungen einnehmen. König Arthus Tafelrunde? Lykaner? viktorianisches London? Ihr fragt euch jetzt sicher, wie die Tafelrunde ins Jahr 1886 kommt und was zum Teufel Werwölfe damit zu tun haben. Durch eine Flüssigkeit, das schwarze Wasser, wird das Leben der Ritter verlängert.Trinkt man es, nachdem man sich verletzt hat, dann heilen auch die Wunden mit rasender Geschwindigkeit. Allerdings schützt das Wasser nicht vor dem Tod. Also muss man in Gefechten weiterhin vorsichtig sein.
Dadurch hatte der Orden also über Jahrhunderte Bestand. Die Geschichte mit den Werfölfen geht auch schon einige Zeit zurück. Wie weit wollt ihr wissen? Ich weiß es nicht. Das ist die erste Sache, die mich an The Order stört. Man wird in eine wirklich interessante Welt geworfen. Und mit geworfen meine ich geworfen. Man startet mitten in der Geschichte und tappt anfangs wirklich im Dunkeln. Hier wäre eine Einleitung schön gewesen, die einem die Hintergründe und die Geschichte dieses Konfliktes näher bringt. Dafür wird man allerdings auf ein Prequel warten müssen, weil mit hoher Wahrscheinlichkeit eventuelle Nachfolger den Handlungsstrang von The Order fortführen werden und wohl nicht weiter auf die Vorgeschichte eingehen werden.
Man spielt Sir Gallahad, einen dieser Ritter, der in eine verzweigte Geschichte involviert wird und von Motiven wie Pflichtbewusstsein, Zweifel und Rache getrieben wird. Obwohl man keine storyrelevanten Entscheidungen treffen kann, bleiben die Handlungen von Gallahad doch nachvollziehbar und ich habe echtes Interesse daran gehabt, wie sich die Geschichte um ihn und den Orden weiter entwickelt.
Durch die alternative Zeitebene haben die Entwickler natürlich auch die Freiheit, ein paar Sachen einzubauen, welche es im Jahr 1886 noch nicht gegeben hat. Man hat dafür einen eigenen Q eingebaut. Nikola Tesla ist für die Forschungen des Ordens zuständig. Wem der Name Tesla bekannt vorkommt, der sollte mal bei Wikipedia schauen. Alle anderen übrigens auch. Durch Teslas Forschung mit Elektrizität hat man so zum Beispiel eine Energiewaffe, die man kurz aufladen muss, die normalen Gegnern aber auch mit einem Schuss den Rest gibt.
Detailiertes London
Eine große Stärke von The Order: 1886 ist die Technik. Der Entwickler Ready at Dawn hat wirklich einiges aus der PS4 rausgeholt. Hochaufgelöste Texturen, eine konstante Framerate und tolle Effekte zaubern ein tolles Erlebnis auf den Bildschirm. Leider fallen bei dieser Technik Sachen, wie nicht reflektierende Spiegel umso mehr auf. Ich muss aber dazu sagen, dass man sich die Technik auch etwas ertrickst hat. Wie The Evil Within hat nämlich auch The Order das Bild gestaucht und gibt es mit dem Format 21:9 aus. Mich nerven diese Balken und ich hätte lieber das normale 16:9-Format und würde dafür leichte technische Abstriche in Kauf nehmen. Jetzt muss ich allerdings damit leben und immerhin lädt mich das Spiel dazu ein, mir die Umgebung anzuschauen und mich zum Beispiel am Horizont zu erfreuen.
Spielerisch kann man eine einfache Formel aufstellen. Shootouts + Zwischensequenzen + Quick-Time-Events + gelegentliche Schleicheinlagen = The Order: 1886. Viel mehr will The Order auch nicht sein. Ready at Dawn wollte einen guten Shooter abliefern, der mit Inszenierung und guter Spielbarkeit punktet. Genau das hat man geschafft. Auch Open-World braucht man nicht zu erwarten. Man hat schlauchige Level, denen man folgt und so ballert man sich von Gefecht zu Gefecht und untersucht nebenbei die Umgebung, um nette Details und Collectibles wie Zeitungsartikel und Audio-Logs zu finden.
Unterbrochen werden diese Abschnitte immer wieder von Zwischensequenzen, die die Handlung fortführen und auch schön anzusehen sind. Hier bringe ich allerdings einen kleinen Kritikpunkt an. Das Pacing der Abschnitte ist nicht immer perfekt. Manchmal will man einfach noch weiter ballern, aber die nächste Sequenz startet. Oder man spielt einen der wenigen Schleichabschnitte und das macht gerade viel Spaß und dann ist es auch schon wieder vorbei. Das macht es abwechslungsreich, jedoch sollte man hier, meiner Meinung nach, bei einem Nachfolger etwas mehr aufs Timing achten.
Für mich der wichtigste Faktor ist allerdings folgender: Das Spiel macht verdammt viel Spaß. Von Anfang bis Ende wird das Spiel nicht langweilig und die Motivation zum Weiterspielen bleibt immer auf einem hohen Niveau. Die Shootouts spielen sich super, obwohl etwas mehr Trefferfeedback gut gewesen wäre. Die Story ist für Shooterverhältnisse sehr gut. Die Spielwelt ist sehr interessant und ich wünsche mir, mehr von dieser Welt zu sehen. So habe ich genau das bekommen, was ich erwartet habe.
Controversy creates Cash
Im Internet gibt es seit letzter Woche einen regelrechten Shitstorm, weil ein Youtuber einen Walkthrough gepostet hat, in welchem er das Spiel in 5,5 Stunden beendet hat. Daraufhin wurden Stimmen laut, dass das Spiel zu kurz sei und man dafür keine 60€ ausgeben solle. Ich persönlich finde es ersteinmal bedenklich, ein Spiel nach einem Yutube-Video so vernichtend zu beurteilen. Ich habe für das Spiel circa 8 Stunden gebraucht. Ich habe auf normal gespielt und mich nach den Collectibles und weiteren Details umgesehen. Wenn man einfach durchläuft und nichts weiteres macht, als von einem Gefecht zur nächsten Cutszene zu rennen, ist das Spiel natürlich massiv kürzer. Aber ob man so spielt, ist eine andere Frage.
Ich habe auch in unserer Community mitbekommen, dass die Schlauchlevel eine Frechheit seien und dass das Spiel dadurch ein Blender sei. Auch das kann ich nicht unterschreiben. Auch für Spiele wie The Order: 1886, die ein schlauchiges Leveldesign bieten, muss es einen Platz geben. So bekommt man aber auch ein gescriptetes Erlebnis und einen guten Ablauf, der gesichert ist. Ich mag sowohl Open-World, als auch Spiele wie The Order: 1886. Und wer so etwas nicht mag, muss es ja nicht kaufen. Vorlieben sind zum Glück verschieden.
Fazit & Wertung
Etzloets: “Ich halte es gleich am Anfang mal fest: The Order: 1886 ist ein sehr guter Shooter mit durchschnittlicher Dauer, dem es leider an Wiederspielwert mangelt. Wer das erwartet, der bekommt ein sehr gutes Spiel. Wem das zu wenig ist, der muss sich nach einer Alternative umsehen. Ich denke, zum System-Seller fehlt allerdings einiges. So ist die Gegnervielfalt zu gering und die groß angekündigten Lykaner fristen eigentlich ein Schattendasein. Sie tauchen einfach zu selten auf. Am Pacing muss man noch etwas arbeiten und ich möchte mehr Hintergrundinfos zur Spielwelt haben. Allerdings ändert das alles nichts daran, dass sich The Order sehr gut spielt, super aussieht und die ganze Zeit motiviert. Außerdem stehen wir ja erst am Anfang einer (hoffentlich) großen Reihe.”